Banal - oder auch nicht....

Im Internet war die letzten Tage zu lesen, ein amerikanischer Bischof habe den Papst um eine Auszeit gebeten, da er an einer Depression erkrankt sei.
Nun mag das den Normen des Kirchenrechts entsprechen, aber der Anlass dieser Veröffentlichung war ein anderer: Der Bischof wollte mit dieser Veröffentlichung einen Beitrag gegen die Stigmatisierung leisten - was ohne Frage sinnvoll und nötig ist, außerhalb und innerhalb der Kirche. Denn psychische Erkrankungen haben noch immer den Beigeschmack "wenn du dich nur nicht so anstellen würdest" oder "jetzt reiß dich mal zusammen". Und die Aufforderung im Internet: "Sie gehören zum Psychiater" ist ja nun kein Ausdruck einer echten Besorgtheit um die seelische Gesundheit des anderen, sondern eine faustdicke Abwertung: "Du bist verrückt und hast mir nichts zu sagen."

Das alles ist mehr oder weniger banal und bekannt, wenn es für mich nicht noch einen kirchlichen Beigeschmack hätte. Ich denke daran, wie noch vor zwanzig Jahren mit suchtkranken Kollegen umgegangen wurde: Diese wurden kurzerhand versetzt. Und waren sie im Rahmen ihrer Erkrankung straffällig geworden (Fahren unter Alkoholeinfluss oder ähnliches) gab's nen deutlichen Anpfiff. Nichts anderes. Im Gegenzug war im Verlauf der Ausbildung der Hinweis eines Vorgesetzten, man solle sich mal in psychologische Behandlung begeben, das fast sichere "aus" für den weiteren beruflichen Werdegang (Freunde von mir hatten allerdings damals die gleiche Empfehlung für mich, als ich ihnen meine beruflichen Absichten offenbarte, und aus heutiger Sicht möchte ich ihnen eine gewisse ehrliche Fürsorge nicht absprechen).

Um auf den Kollegen zurückzukommen, der unter Alkoholeinfluss Auto fährt. Klar verdient er eine Strafe. Aber er verdient (!) auch Hilfe und Unterstützung - und vor allem den Schutz vor jeder Stigmatisierung. Darauf hat er sogar einen Anspruch. Und nichts ist so unmenschlich, wenn man ihm das vorenthält, einschließlich der Ermutigung, dass es einen Neuanfang geben kann. 

Lange Rede kurzer Sinn: Die katholische Kirche hat sich mit psychologischen Erkenntnissen immer sehr schwer getan und tut es bis heute, und das gilt nicht nur für den Bereich der Sexualpsychologie. Da wurde herumpathologisiert, was das Zeug hielt, während das eigene Verhalten der Oberpathologisierer und Diagnostiker durchaus einen kritischen Blick nötig gehabt hätte.Und wenn sie sich dann, meistens dreißig Jahre zu spät, mal ein bisschen bewegt haben, dann wird das noch als das große Hoffnungszeichen von Aufgeschlossenheit verkauft. Dabei ist es nur peinlich.  

Nichts, aber auch gar nichts möchte ich in einer Psychiatrie schönreden. Es gibt unendlich viel Elend. Aber manches ist auch einfacher als im Leben "draußen". Ehrlicher. Und nicht selten bin ich mit der Frage unterwegs, was denn nun "drinnen" und "draußen" wirklich bedeutet.

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